Myofasziale Gelenkmobilisationen bei CP-Kindern
von W.Pfaffenrot
Therapien der Bewegungsstƶrungen bei CP-Kindern sind hƤufig Gegenstand kontroverser Fachdiskussion ebenso im Bereich der Physiotherapie als auch bei Neurologen und OrthopƤden. Es geht dabei um die Suche nach Mƶglichkeiten, wie bisher angewandte Behandlungsmethoden zu verbessern oder zu ergƤnzen wƤren.
Bei spastischen Zerebralparesen ist der MuskelretraktionsprozeĆ beeintrƤchtigt. Dadurch sind die Muskelfasern, z. B. der Gelenkbeuger, langfristig verspannt, verkĆ¼rzt und verdickt. Sie komprimieren und ischƤmisieren sich im eigenen, schlecht dehnbaren faszialen Sack. Das fĆ¼hrt zu teilweise aseptischen und fibrotischen Ćnderungen der Fasern und MuskelschwƤche. GIeichzeitig mit der BeugerrigiditƤt und VerkĆ¼rzung bildet sich eine Fehlstellung im betroffenen Gelenk.
Die Strecker erleben dabei eine stƤndige Dehnung und reflektorische āAbschaltungā aus dem normalen Bewegungsmuster. Die Faszien verlieren bei dieser Bewegungsarmut ihre ElastizitƤt, und das fĆ¼hrt zu weiteren Muskelverspannungen, die man aber durch eine sanfte Faszienreizung schnell und erfolgreich abbauen kann. Diese myofaszialen Techniken erhalten folgende Handgriffe:
Hautdehnung,
gehaltener Druck,
Bindegewebefaltung und
myofasziale Verschiebung.
Sie werden erfolgreich von Osteopathen in der Schmerztherapie bei vertebragenen und degenerativen Beschwerden benutzt. Aber uns ist es nicht gelungen, Hinweise zu finden, daĆ diese Handgriffe bei CP-Patienten anwendbar sind.
Unseren bisherigen Erfahrungen nach sind aber bei den CP-Kindern diese Techniken besonders erfolgreich und ƤuĆern sich hƤufig durch Ć¼berraschende SekundenphƤnomene. Wo und wie das Bindegewebe gedehnt, gefaltet, gedrĆ¼ckt und verschoben werden soll, ergibt sich aus dem palpatorischen Untersuchungsbefund. Durch die Palpation kann man verschiedene ZustƤnde von allen Komponenten der Weichteile differenzieren: die Lokaltemperatur, die Hautfeuchtigkeit, Widerstand und Beweglichkeit der Schichten, den Muskeltonus usw. Bestimmte Eigenschaften des Weichteilgewebes, wie Dichte, ElastizitƤt, Dehnbarkeit sind palpatorisch zu prĆ¼fen, wobei man einen mehr oder weniger ausgeprƤgten Widerstand des Gewebes ā das sogenannte BarrierephƤnomen ā ertasten kann . Allgemein weisen Bewegungsstƶrungen dieser Art VerƤnderungen der oben genannten Eigenschaften auf. Bei entsprechender Erfahrung kann man umgehend alle indurativen Verdichtungen, sowie auch Verspannungen, VerkĆ¼rzungen, Unbeweglichkeit, ElastizitƤtminderung etc. feststellen.
Dabei unterscheidet man drei Arten von Barrieren:
anatomische, physiologische und pathologische. Die anatomischen Grenzen werden meistens bei den Gelenkuntersuchungen beobachtet. Die physiologische Barriere der Weichteile zeigt sich als weichfedernder elastischer Widerstand gegen einen Druck, eine Dehnung oder Verschiebung. Die pathologische Barriere ist durch eine unelastische harte BewegungseinschrƤnkung gekennzeichnet. Dabei ist es gleichgĆ¼ltig, ob man einen Druck, eine Falte, Dehnung oder Verschiebung an den Geweben vornimmt.
Es ist aber auf eine sehr nĆ¼tzliche Eigenschaft der Weichgewebe, die sie in jedem pathologischen und normalen Zustand haben, hinzuweisen: Wenn man sie mit einer minimalen Kraft reizt, dann erreicht man die sogenannte Vorspannung der Schichten. Und wenn man diese Verspannung einige Sekunden fixiert, dann erfolgt eine plƶtzliche Entspannung der Gewebe, die sich reflektorisch auch auf die tieferliegenden Schichten Ć¼bertragen kann. Manuell merkt man, wie die Spannungsbarriere nachgelassen hat, und stufenartig erreicht man eine neue Sperre, die auch nachgeben kann, wenn eine neue Vorspannung wieder einige Sekunden leicht gehalten wird.
Dieses PhƤnomen ist der Grundstein der Weichteiltechniken und funktioniert besondesg auffƤllig bei Patienten mit einem erhƶhten Muskeltonus, aber dafĆ¼r haben wir keine Hinweise in der Fachliteratur gefunden.
Die Hautdehnung wird mit den Daumenballen, Ulnarkanten oder Handwurzeln vorgenommen. Dadurch kann man erfolgreich die hyperalgetischen Zonen lƶschen. Der Druck wird mit Fingerkuppe, Daumenballen, Handwurzel und sogar mit dem Ellbogen gehalten. Man muĆ nur aufpassen, daĆ die Reizung entsprechend der GrƶĆe und den konstitutionellen Eigenschaften des Patienten gleichzeitig stark und sanft genug bleibt. Dann merkt man, wie nach einer kurzen Vorspannung das Gewebe nachlƤĆt, und man kommt leicht in die Tiefe bis zu einer neuen Vorspannung. Hier muĆ man die DruckintensitƤt oder die Druckrichtung ein wenig Ƥndern, um die neue Vorspannung zu erreichen, dann einige Sekunden abwarten und wieder etwas tiefer greifen. Diese Handgriffe sind besonders effektiv, wenn man die rnƤchtigen RĆ¼ckenstrecker oder die GesƤĆmuskulatur, entspannen will.
Die Bindegewebefalte fĆ¼hrt man mit Daumen und Zeigefinger durch.Man hebt mit beiden HƤnden die Falte auf, und durch einen zarten Zug und Dehnung erreicht man die Vorspannung, die in wenigen Sekunden eine Entspannung auslƶst. Die Faltung ist besonders wirksam bei der Behandlung von hyperalgetischen Zonen und MuskelverkĆ¼rzungen.
Jede Bewegungsstƶrung wird auch von einer BewegungseinschrƤnkung der Faszien begleitet. Auch geringste EinschrƤnkungen kƶnnen schon ein unĆ¼berwindbares Hindernis fĆ¼r die Normalisierung der Muskelfunktion darstellen. Dieser Zirkulus vitiosus lƤĆt sich mit myofaszialen Verschiebungen und Verdrehungen durchbrechen. Diese Techniken eignen sich fĆ¼r die Behandlung am Hals, am Rumpf und an den ExtremitƤten. Zum Beispiel legt man beide HƤnde sanft um den Hals des Patienten und verschiebt die Haut mit der Faszie superfizialis um 10-15 Grad nach rechts oder nach links. Wenn man den leichten Widerstand des Gewebes fĆ¼hlt, wartet man 3 bis 10 sec ab. Diese Zeit reicht fĆ¼r eine Umwandlung der Vorspannung in die Entspannung. Der Handgriff ist effektiv bei Torticollis spasticus,muskulƤrem Schiefhals, Schluckstƶrungen, vermehrtem SpeichelfluĆ, fasziozervikalen und zervikolumbalen RigiditƤtsformen bei CP-Kindern.
Bei Funktionsstƶrugen im atlantoobzipitalen Ćbergang dreht man den Kopf des Patienten zuerst in die deblockierte Richtung und verzieht mit der Fingerkuppe eine Hautfalte von jedem Processus mastoideus quer zur Mittellinie 2- bis 3mal durch. Dann dreht man den Kopf auf die andere Seite um und wiederholt denselben Handgriff. Viele CP-Kinder ƤuĆern deutlich eine Unruhe, wenn man sie am Kopf anfaĆt. Dabei merkt man bei ihnen, daĆ die Kopfhaut verspannt und unbeweglich ist. Man tastet auch mehrere Punkte, wo die Aponeurose an den SchƤdel fixiert ist. Wenn man an diesen Punkten nur wenige Sekunden mit der Fingerkuppe einen gehaltenenDruck ausĆ¼bt lƶsen sich diese āVerklebungenā auf, und die ganze Kopfhaut lƤĆt sich leicht auf dem SchƤdel bewegen.
Ab diesem Moment protestieren die Kinder auch nicht mehr, wenn man den Kopf anfaĆt. Sie fĆ¼hlen sich wohl und bequem, was ganz auffƤllig z.B. bei Kindern mit Schlafstƶrungen ist. Viele Eltern bedanken sich, weil sie nachts nicht mehr so oft wie zuvor das Kind umwenden, trƤnken, schaukeln usw. mĆ¼ssen.
Den Arm bearbeitet man wie folgt: Das Kind liegt auf dem RĆ¼cken. Man tastet den M. pectoralis major, um die.verspannten BĆ¼ndel zu lokalisieren.Quer zu ihrem Verlauf zieht man mit beiden Daumen die Haut, Unterhaut und Fascia superficialis 3- bis 4mal so durch, daĆ es zu einer lokalen, HyperƤmie kommt. Dann nimmt man die Hand am Ellenbogen und abduziert sie sanft bis 90 Grad. Mit dem Daumen und dem Zeigefinger der freien Hand faĆt man in die Achsel so hinein, daĆ die Finger senkrecht die Fasern von Mm. latissimus dorsi, teres major et minor und pectoralis major etwa 2 ā 3 cm tief vor dem Achselrand greifen. Die beiden MuskelrƤnder werden sanft gegeneinander bis zur Vorspannung verschoben und ein paar Sekunden in dieser Position gehalten. Dann kommt das EntspannungsphƤnomen, und man verschiebt den Arm aus der Seitenlage vorwƤrts und nach oben bis an die erste Barriere. Dann lƤĆt man die beiden MuskelrƤnder kurz los, um sie nun mit den Fingern wieder etwas zusammenzuschieben. Gleichzeitig mit der Streckung im Schultergelenk, streckt man den Arm auch im Ellenbogen passiv durch. Nach dem 2. bis 3. EntspannungsphƤnomen erreicht man meistens eine wesentliche Besserung oder sogar eine Vollstreckung im Schultergelenk, Ellenbogen und teilweise eine Ćffnung der geschlossenen Hand.
Die chirotherapeutische Untersuchung zeigt bei zerebralparetischen Kindern auch eine auffƤllige RotationseinschrƤnkung im Schultergelenk. Um diese wichtigen Bewegungsmƶglichkeiten zu erweitern, benutzen wir den folgenden Handgriff: Mit einer Hand faĆt man das Schultergelenk von oben im Bereich der Articulatio acromio-clavicularis an und drĆ¼ckt die Mm. deitoideus, pectoralis major, teres minor et major sanft zusammen. Die abduzierte Hand des Kindes hƤlt man bei gebeugten Ellenbogen von der volaren FlƤche fest, so daĆ der entlang dem Unterarm des Therapeuten Kontakt hat. Je nachdem, wie gut sich die Schulterrotatoren entspannen, dreht man die Hand des Patienten nach innen und auĆen bis zur erreichbaren Barriere.
Dann bringt man den Arm wieder in die Abduktionslage, so daĆ der Unterarm senkrecht auf der Behandlungsliege steht. Mit einer Hand umfasst man die Oberarmmuskulatur in der Mitte. Die andere Hand rutscht am senkrechtstehenden Unterarm bis zum Ellenbogen, so daĆ die volaren FlƤchen des Unterarmes des Kindes und des Therapeuten flach in Kontakt sind. Bei fixierter Sehne des M.bizeps brachii verdreht man sanft den Muskelbauch 10-15 Grad in einer Richtung (Vorspannung), wartet 3-5 sec ab (Entspannung). In diesem Moment bringt man mit einem leichten Druck den Unterarm des Patienten in eine erreichbare Streckung. Dann verdreht man die Weichteilschichten des Oberarmes 10-15 Grad in die andere Richtung, wartet etwas ab und erreicht im Ellenbogen die nƤchste Barriere. Bei Kindern von 11 bis 13 Jahren kann man die Fehlstellungen im Ellenbogen bis 30 Grad in drei bis vier Sitzungen beseitigen. Man muĆ nur folgende Regeln beachten: Sanft und zart arbeiten; die Vorspannung erreichen und unbedingt ein paar Sekunden abwarten; die Entspannung fĆ¼r das Erreichen der nƤchsten Streckungsstufe nutzen.
Bei schweren Fehlstellungen sind auch die paraartikulƤren Gewebe verspannt und vernarbt (desmogene Kontraktur). Diese Verspannung kann man palpatorisch feststellen, wenn man die Hand in der erreichten Streckung anhƤlt. Man sieht auch die glƤnzende HautflƤche im Ellenbogengebiet. In diesem Fall hat oft eine diagonale Bindegewebsfaltung eine erstaunliche Wirkung. DafĆ¼r hƤlt man die teilweise gestreckte Hand am Unterarm fest und schiebt die paraartikulƤren Gewebe 2-3 cm proximal und distal von der Gelenkfalte mit dem Daumen und Zeigefinger diagonal zusammen (Vorspannung). In einigen Sekunden folgt die Entspannung, und man kommt eine Stufe in der Streckung weiter. Dann wechselt man die diagonale Faltungsrichtung, und es wird eine neue Barriere erreicht.
Bei-Fehlstellungen in Handgelenk und Fingern fixiert man die Sehnen im distalen Drittel des Unterarmes und verdreht die Weichteilschichten im proximalen Drittel 10-15 Grad um die Achse, wartet einige Sekunden ab, und nach dem EntspannungphƤnomen wechselt man die Drehungsrichtung. Je nachdem, wie die Entspannung eintritt, korrigiert man die Handstellung in die Neutralstellung oder mƶglicherweise in die Hyperkorrektur. Dabei tastet man die verspannten MuskelbĆ¼ndel im Unterarrn und verdreht den myofaszialem Block bis zur nƤchsten Entspannung. In diesem Moment versucht man, auch die Finger des Kindes passiv durchzustrecken. Aber bei schwerer SpastizitƤt und RigiditƤt gelingt es selten. Deswegen ist es sinnvoll, schon in diesem Artikel auch einen anderen von uns entdeckten Behandlungstrick zu beschreiben, obwohl er zur Akupressur gehƶrt.
Bei fest geschlossener spastischer Hand bohrt man sich an der Ulnarkante in die Faust hinein und drĆ¼ckt das 4. SchwimmhƤutchen mit Daumen und Zeigefinger krƤftig zusammen (Zangengriff). In einigen Sekunden ƶffnet sich die Hand. Dann dehnt man die HandflƤche mit zwei Daumen aus der Mitte bogenartig 3- bis 4mal tief durch, so dass die weissen Hautstreifen senkrecht zu den BĆ¼ndeln von Mm. opponens digiti minimi et flexor pollicis brevis verlaufen. Danach reizt man das 2. SchwimmhƤutchen mit einem kurzen Zangengriff. Dabei abduziert sich meistens der, in die Hand eingeschlossene, Daumen.
Ein groĆes Problem besteht fĆ¼r die CP-Patienten in der EinschrƤnkung der Supinationsmƶglichkeiten. Das beschrƤnkt die Greif- und StĆ¼tzfunktion der Hand, und damit die SelbstƤndigkeit des Kindes. In diesen FƤllen bieten wir unseren folgenden Handgriff an: Man stĆ¼tzt den senkrecht stehenden Unterarm mit dem Ellenbogen in die Behandlungsliege. Von dorsal faĆt man den Unterarm mit beiden HƤnden so an, daĆ die Zeigefinger von volar einen Querfinger distal von der Gelenkfalte die Hand des Kindes in der Korrekturstellung fixieren. Die beiden Daumen legt man auf die DorsalflƤche der Metaphysen des Os ulnaris et radialis. Die Ring- und Mittelfinger legt man dem Daumen gegenĆ¼ber auf die volare Unterarm-FlƤche. Mit diesen Fingern verschiebt man sanft die Haut, Unterhaut und die Faszie superfizialis am Daumen des Kindes nach oben (distal) und am Kleinfinger nach unten (proximal). Nach einigen Sekunden wandelt sich die Vorspannung in eine Entspannung der verkrampften Pronatoren, und man kann relativ weich eine weitere Supinationsbarriere erreichen.
Durch die Behandlung der oberen ExtremitƤten ergibt sich:
- eine gute passive und aktive Streckung des Armes nach vorne, nach hinten und seitwƤrts,
- eine Korrektur der Fehlstellungen im Ellenbogen,
- eine Tendenz zur stƤndigen Handƶffnung mit besserer Daumenopposition,
- eine auffƤllige Besserung der Fein- und Grobmotorik der HƤnde.
Die myofaszialen Mobilisationen der unteren ExtremitƤten fĆ¼hren wir wie folgt durch: Das Kind liegt auf dem RĆ¼cken, so daĆ die beiden Beine in den Kniegelenken vom Tischrand frei hƤngen kƶnnen. Dabei sieht man, daĆ durch die Beugestellung der HĆ¼ften sich ein mehr oder weniger ausgeprƤgtes Hohlkreuz bildet. Mit Beugung einer der HĆ¼ften von 90 bis 130 Grad gleicht man diese Fehlstellung der LWS so aus, daĆ man mit der Hand zwischen dem RĆ¼cken und der Liege nicht durchrutschen kann. In solcher Position hƤlt man das gebeugte Bein fest. Die andere Hand legt man mit dem Unterarm flach auf den Oberschenkel des anderen Beines und greift mit Daumen und Zeigefinger am Beckenkamm so ein, daĆ rnan den M. iliacus mit dem Daumen quer berĆ¼hren kann.
Die entspannende Wirkung von dieser BerĆ¼hrung Ć¼bertrƤgt sich auf die ganze Funktionskette der HĆ¼ftbeuger. Und je nachdem, wie man merkt, daĆ die Spannung nachlƤĆt, drĆ¼ckt man sanft mit dem Unterarm den Oberschenkel des Kindes bis zur nƤchsten Barriere. Nach zwei bis drei Stufen verlagert man die Hand distaler, so daĆ man mit der 3. Fingerspitze den Muskel-Sehnen-Ćbergang vom M. rectus femoris tasten kann. Den Daumen und Kleinfinger spreizt man auseinander, so daĆ man im Griff die langen Adduktoren und den vorderen Rand der Fascia lata hat. Dann verschiebt man sanft die oberflƤchlichen Weichteilschichten 10 bis 15 Grad z.B. nach auĆen (Vorspannung), wartet 3 bis 10 sec ab (Entspannung) und kommt mit dem Bein ein StĆ¼ckchen weiter. Man macht drei bis vier Richtungswechsel pro Behandlungssitzung. Dann behandelt man in derselben Reihenfolge die andere HĆ¼fte.
Dabei schiebt man auch gleichzeitig,sanft das Bein des Kindes etwas nach auĆen (Abduktion), obwohl fĆ¼r die Adduktorenentspannung effektiver folgende Handgriffe sind: In der RĆ¼ckenlage beugt man dem Kind die Beine in den Knie- und HĆ¼ftgelenken bis 60-70 Grad, so daĆ die beiden Fersen kontaktieren, und man spreizt die HĆ¼ften auseinander. Dann faĆt man beide Oberschenkel in der Mitte mit seinen HƤnden von innen an und verdreht den Weichteilmantel 10-15 Grad wechselhaft mit kurzen Pausen nach innen und nach auĆen. WƤhrend der Entspannung kommt man stufenartig mit der Abduktion etwas weiter. Bei schweren Adduktionskontrakturen erreicht man mehr, wenn man mit beiden HƤnden die Adduktoren quer an einem Bein bearbeitet. Die erreichte Entspannung Ć¼bertrƤgt sich teilweise durch die eigenen reflektorischen Ketten auf die gegenseitigen Adduktoren. Das nutzt man auch aus und schiebt die Beine auseinander mit einem leichten Ellenbogendruck auf das gebeugte Knie der Gegenseite. Dann bearbeitet man den anderen Oberschenkel. Die Ergebnisse kann man durch einen Zwischenkondylenabstand kontrollieren. Im Durchschnitt verbessert sich die Abspreizung bei der ersten Sitzung 3-4 cm, bei den nƤchsten Behandlungen 1-2 cm.
Schliesslich beugt man die beiden Beine, stĆ¼tzt sich mit der Brust in die gebeugten Knie des Kindes, fĆ¼hrt die beiden HƤnde zwischen die TischflƤche und GesƤss und dehnt die glutealen Faszien von kranial nach kaudal mit gleichzeitiger Beckenkippung von ventral nach dorsal, dass sich das Hohlkreuz vƶllig korrigiert; und man wartet 5 bis 10 sec ab. Bei Kniebeugestellung bis 20 Grad kann man meistens die myofaszialen Mobilisationstechniken auch noch in der RĆ¼ckenlage durchfĆ¼hren. Nach der HĆ¼ftbehandlung verschiebt man das Kind nach oben, so dass auch seine Fersen auf der TischflƤche frei liegen. Mit einer Hand umfsst man die Kniebeugersehnen von hinten. Die andere Hand liegt auf der hinteren FlƤche des Oberschenkels. Mit entsprechenden Pausen verdreht man abwechselnd den myofaszialen Block Ć¼ber den Ischiokruralen und Ć¼ber den Sehnen gegeneinander. Nach der relativen Entspannung der Ischiokruralen verlagert man die Hand von den Sehnen nach vorne aufs Kniegelenk, und je nachdem, wie sich die Kniebeuger durch die myofaszialen Verdrehungen weiterhin entspannen, drĆ¼ckt man stufenartig das Knie in die Streckung.
Dann bearbeitet man den Unterschenkel und den Fuss: Man fixiert die Achillessehne mit einer Hand und mit der anderen verdreht man den Weichteilmantel im Bereich des m.gastrocnemius nach aussen und nach innen bis zu den Vor- und EntspannungsphƤnomenen 2 bis 3 mal in jeder Richtung. Dann nimmt man den equinierenden Fuss in eine Hand und unter der Verspannungskontrolle der Wade, die man mit der anderen Hand stƤndig verdrehen und entspannen muss, korrigiert man alte mƶgliche Fehlstellungen der Ferse und des Vorfusses mit entsprechender Dehnung der inneren oder der Ƥusseren Fusskante, je nachdem welche Deformation stattfindet: ein Klumpfuss oder ein Plattfuss mit Ferse-valgus-Stellung. Bei schwerem Spitzfuss hat eine Schwimmhautreizung zwischen der 4. und 5. Zehe eine wunderbare Wirkung ā der Fuss kommt selbst in eine Extension.
Ist die Fussstellung weitgehend korrigiert, umfasst man mit beiden HƤnden das Kniegelenk proximal und distal des Gelenkspaltes und verdreht den Gelenkmantel wechselhaft mit ensprechenden Wartepausen 2 bis 3mal gegeneinander. Dieser Handgriff ist bei desmogenen Kontrakturen besonders indiziert.
Danach beugt man das Kniegelenk bis zu 90 Grad und schiebt den Fuss in die Korrektur, oder (wenn mƶglich) in die Hyperkorrekturstellung und hƤlt ihn ca. 10 sec fest (Entspannung). Dann verlagert man die Hand von der HinterflƤche der Wade auf die VorderflƤche des Knies und bittet das Kind, das Bein voll durchzustrecken. Dabei muss man den Fuss in der erreichten Korrekturstellung festhalten. Je nach dem, wie sich die Ischiokruralen akktiv entspannen und passiv dehnen lassen, beugt man das Bein in der HĆ¼fte in ein paar Sitzungen bis zu 90 Grad. Wenn das Kind eine Valgusstellung der Ferse hat, bringt man die Ferse in die Varusposition, den Vorfuss stellt man in eine extreme Supination und setzt die StreckungsĆ¼bungen bis 10 Bewegungen pro Sitzung fort. Dabei dehen sich auch die Peronealmuskeln, die durch ihre Verspannung diese Fussfehlstellung verursachen. Nach der Behandlung des anderen Beines dreht man das Kind auf den Bauch. In der Bauchlage fĆ¼hrt man die myofaszialen Techniken wie folgt durch: Mit zwei Daumen nach links und nach rechts von den DornfortsƤtzen C7 bis S1 macht man eine Hautdehnung, so das man weisse (blasse) Streifen auslƶst. In einigen Sekunden sieht man eine lokale HyperƤmie im Bereich dieser Streifen, die man alle 1,5 -2cm bilden muss. Daduch entspannt sich die RĆ¼ckenmuskulatur, verbessert sich lokale Mikrozirkulation und die segmantare Innervation. Bei Skoliose dehnt man die Fascia superficialis quer und an der WirbelsƤule entlang. Die quere Dehnung erreicht man durch eine Verschiebung der Bindegewebsfalte. Die longitudinale Dehnung macht man mit gekreuzten Handwurzeln: Mit einer stĆ¼tzt man sich am Kreuzbein, die andere verschiebt an der WirbelsƤule entlang eine Fettwelle von unten (Th 10) nach oben (C7). Das alles wirkt positiv auf die Kopfhaltung und die Aufrichtung des Rumpfes.
Bei schweren HĆ¼ftbeugekontrakturen ist oftmals die Bauchlage unmƶgllich. In diesem Fall legt man ein Kissen unter den Bauch, oder man schiebt den Patienten an das Behandlungstischende, so dass die Beine Ć¼ber den Tischrand herabhƤngen. Die Eltern mĆ¼ssen eine kurze Zeit die Beine in dieser Lage festhalten, und der Therapeut bearbeitet (wie beschrieben) die RĆ¼ckenmuskulatur. Dann schiebt man das Kind wieder nach oben und fĆ¼hrt den nƤchsten Handgriff durch: Man steht am Fussende des Tisches und greift mit beiden Mittelfingern den Muskel-Sehnen-Ćbergang vom M. rectus femoris beidseits hakenartig ein. Mit den Handwurzeln und Daumen stĆ¼tzt man sich sanft in die GesƤssmuskulatur zwischen dem Trochanter major und Tuber Ischii. GleichmƤssig sanft verdreht man beidseits den myofaszialen Block nach aussen und nach hinten. In einigen Sekunden merkt man, wie die Spannung der gesamten HĆ¼ftbeuger nachlƤsst und das Kind mit dem Becken nƤher an die TischflƤche kommt.
Dann stellt man sich von der Seite hin, hakt den gegenĆ¼berliegenden Muskel-Sehnen-Ćbergang vom M. rectus femoris mit dem Mittelfinger an und verschiebt die Haut, Unterhaut und die Faszie wieder nach aussen und nach hinten. Mit der anderen Hand nimmt man das Bein am Fussgelenk und je nachdem, wie sich der M rectus femoris entspannt, kommt man langsam in eine volle passive Kniebeugung, ohne den Dehnungsreflex in den HĆ¼ftbeugern zu provozieren. Wenn man die Reizung zu hart macht, oder die Kniebeugung zu schnell durchfĆ¼hrt, kommt es zur Auslƶsung des Dehnungsreflexes, und das Kind kommt sofort in eine Abweichung im Becken von der TischflƤche. In diesem Fall muss man den Handgriff wiederholen.
Dann stellt man den Unterschenkel senkrecht zur TischflƤche und korrigiert die Fussstellung. Beim Pes equinus bringt man den Fuss in den 90 Grad Winkel bei gleichzeitigen wechselhaften Verdrehungen des Weichteilmantels im Bereich des M. ganstrocnemius. Beim schweren Equinus reizt man das 4. SchwimmhƤutchen, dann korrigiert sich die Stellung schneller und deutlicher.
Bei Valgus-Stellung und Plattfuss kippt man die Ferse und den ganzen Fuss nach innen, so dass der subluxierte Talus und das Os navikulare in ihre richtige Position kommen. Mit einer Hand fixiert man die Ferse und den Mittelfuss in dieser Varusposition. Mit der anderen Hand verdreht man den Vorfuss nach aussen und dehnt ihn nach innen, so dass die Aussenkante des Fusses sich verlƤngern kann. Beim Klumpfuss korrigiert man den Equinus, die Ferse stellt man in die Neutralposition. Den Vorfuss muss man pronieren und nach aussen dehnen. Die Redressionsergebnisse verbessern sich, wenn man die FĆ¼sse mit einem elastischen Verband oder orthopƤdischen Schienen zusƤtzlich fixiert.
In der Bauchlage lassen sich besser auch die schweren Kniebeugekontrakturen korrigieren. Man fasst den Oberschenkel so an, dass die auf den Beugersehnen liegende Hand mit ihrer volaren UnterarmflƤche mit der dorsalen UnterschenkelflƤche des Patienten kontaktiert. Mit der anderen Hand umfasst man den Oberschenkel des Kindes in der Mitte und verdreht sanft die oberflƤchlichen Schichten mit entsprechenden Pausen wechselhaft nach aussen und nach innen. WƤhrend der Entspannungsphasen in den Ischiokruralen drĆ¼ckt man den Unterschenkel sanft und stufenartig mit dem Unterarm so weit wie mƶglich durch. Um schwere myogene und desmogene Kontrakturen aufzulƶsen, braucht man zwischen 10 und 20 Behandlungen. Dabei handelt es sich um relativ junge Patienten, weil bei 15- bis 16jƤhrigen schon mit arthrogenen VerƤnderungen zu rechnen ist. Obwohl die beschriebenen Handgriffe sehr einfach sind, ist darauf zu achten, dass der Therapeut um die myofaszialen Techniken zu beherrschen, ein feines GefĆ¼hl in den HƤnden entwickeln muss. Schon eine Ć¼bermƤssige Verschiebung oder DruckstƤrke bringt keine Entspannung. Umgekehrt, jede starke Reinzung lƶst bei den CP-Kindern eine Muskelverspannung aus. Aber grƶssere Komplikationen kann man theoretisch von den Weichteiltechniken nicht erwarten. Deswegen kƶnnte man sie interessierten Krankengymnasten, Masseuren und sogar betroffenen Eltern beibringen, weil ihre Anwendung das schwere Schicksal von CP-Patienten durch die Vorbeugung oder Behandlung der Kontrakturen wesentlich lindern kann. Frau Dr.phil. Hergard Willmanns, MĆ¼nchen, danke ich sehr herzlich fĆ¼r die Hilfe bei der deutschen Fassung dieses Artikels und Herrn Hans Ladewig, Hannover, fĆ¼r die Anfertigung der Fotografien (hier nicht mitkopiert Anm. der Schreiberin).
Literatur
- Beal, M.C.: Grundlagen der Osteopathie. In H.D. Neumann, H.D. Wolf āTheoretische Fortschritte und praktische Erfahrungen der Manuellen Medizinā, Konkordia GmbH fĆ¼r Druck und Verlag, BĆ¼hl (1979),32.
- Brodin, H.: āDie ViskoelastizitƤt der Muskelnā, Manuelle Medizin 10 (1971), 41
- Fyette, H.H.: āPrinciples of osteopathic technicā, Academy of Applied Osteopathy, Carmel, California, (1954)
- Goodrige, J.P.:ā Muscle energy technique definition, explanation methods of procedureā. J.Arner Osteop. Assos.81 (1981), 249
- Lewit, K.: āManuelle Medizinā, 6. Aufl. Leipzig, Heidelberg, Barth (1992)
Anschrift des Verfassers:
Dr. Waldemar Pfaffenrot
Arzt fĆ¼r OrthopƤdie, Chirotherapie und physikalische Therapie
Rƶmerstr. 23
80801 MĆ¼nchen dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr. W. Pfaffenrot
Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr. W. Pfaffenrot.