Fallbesprechung Veronica
Wolfgang Fasser,Ā dipl. Musik-und Physiotherapeut
Abschlussarbeit SZB
Veronica ā das Kind, seine Lebenswelt und seine Familie
Dieser Bericht versucht, das 5-jƤhrige MƤdchen Veronica und seine Lebenswelt zu beschreiben.
Mein Weg mit ihr begann vor 2 Jahren und dauert weiter an.
Das Kind besucht zusammen mit einem Elternteil das āAtelier fĆ¼r frei improvisierte Musik, il Trilloā und wird von mir, in vorwiegend rezeptiver Form, mit musik- und physiotherapeutischen Methoden behandelt und gefƶrdert.
Wir leben in einer lƤndlichen Gegend Mittelitaliens.Ā Der staatliche Gesundheitsdienst offeriert alle Basisdienstleistungen fĆ¼r Kinder in Veronicaās Situation. FĆ¼r spezielle Angebote sind die Familien auf private Institutionen, wie z.B. mein musiktherapeutisches Atelier, angewiesen. Meine Arbeit ist mit derjenigen der Kinderneuropsychiatrischen Equipe abgesprochen. So ist mein Angebot integriert in das globale Fƶrderungskonzept dieses Kindes und wird vierteljƤhrlich verifiziert.Ā Trotz aller BemĆ¼hungen, lƤss die konstruktive Integration der AktivitƤten der Bereiche Schule, sowie staatliche und private Fƶrderung, zu wĆ¼nschen Ć¼brig, da limitierte finanzielle und personelle Resourcen, sowie administrative DisorganisationĀ oft eine Zusammenarbeit erheblich belasten.
Beschreibung des Entwicklungsstandes
Vorgeschichte
Veronica wurde am 27. Februar 1998 durch eine natĆ¼rliche, termingerechte und gut verlaufende Geburt im Spital in Florenz geboren.Ā Sie habe sofort geweint, und der erste Apgar-Test sei auch gut gewesen.
Wissend um die zu erwartende Problematik (prƤnatal festgestellte Hydroanencephalie),Ā sei das Kind auf die Neonatologie gebracht worden, wo sich kurz nach der Geburt die ersten Probleme zeigten. Schwerste, nicht beeinflussbare, epileptische Krisen, Atemprobleme und eine brƤunlich verfƤrbte Haut manifestierten den kritischen Zustand des Kindes.Die ersten Tage verbrachte die Familie im Spital ā das Kind im Inkubator auf der Intensivstation. Da verblieb Veronica fĆ¼r 2 Monate und wurde via Sonde ernƤhrt. Nach 4 Wochen wurde ihr operativ ein ventriculoabdominaler Shunt mit Erfolg eingesetzt und sie konnte nach Hause geholt werden.
Die Eltern waren im 8. Schwangerschafts-Monat, anlƤsslich der regulƤren Ultraschall-Untersuchung, Ć¼ber den besorgniserregenden Befund einer deutlichen Vergrƶsserung der Hirnventrikel und entsprechender Abnahme des Hirnrindenvolumens des Kindes unterrichtet worden.Ā Bei allen Untersuchungen konnten die Ć¼blichen prƤnatalen Infektionskrankheiten ausgeschlossen werden. Dennoch blieb man bei der Diagnose eines SchƤdigungsbildes im Sinne des okklusiv bedingten Hydroanenzephalus.
Als Ursache wird, von medizinischer Seite, eine virale Infektion des Kindes, in der Zeit zwischen dem 6. und 8. Schwangerschaftsmonat, angenommen. Die Mutter hingegen vermutet, dass es sich eventuell um eine Folge der Fruchtwasseruntersuchung handeln kƶnnte und ist unsicher bezĆ¼glich obiger Ursachen-ErklƤrung. Sie hƤtte die Aerzte damals sehr aufgeregt erlebt, obwohl man ihr versicherte, es sei alles normal vor sich gegangen. Ebenfalls meint die Mutter, es kƶnnten vielleicht Erreger aus der Umgebung (Bauarbeiten am Haus in dieser Zeit) gewesen sein.
Veronica wurde in den letzten 5 Jahren 2 mal wegen respiratorischer Schwierigkeiten und Nahrungsaufnahme-Problemen im Kinderspital hospitalisiert.Ā Durch Intubation, AtemunterstĆ¼tzung und SondenernƤhrung konnte dem Kind geholfen werden, und es kehrte wieder nach Hause zurĆ¼ck.Ā Veronica wird zu Hause von ihren Eltern und einer Betreuungsperson gepflegt. Sie wird 2 mal pro Woche in die Physiotherapie gebracht und besucht, wenn es ihr Zustand erlaubt, den integrativen Kindergarten im Dorf.
Art der Behinderung / SchƤdigungsbilder
- Schwere spastisch betonte Tetraparese mit UnfƤhigkeit von Rumpf- bzw. Kopfkontrolle,
- hƤufiges epileptisches Krampfgeschehen,
- starke Sehbehinderung aufgrund zentraler Verarbeitungsstƶrung und grauen Stars (vor allem links),
- respiratorische Insuffizienz aufgrund zentraler Regulations-Stƶrung und schwerster skoliotischer DeformitƤt des Thoraxes,
- schwere kyphoskoliotische DeformitƤt des Brustkorbes mit ausgeprƤgtem Rippenbuckel links und entsprechendem Rippental rechts,
- massive FussdeformitƤten im Sinne eines pronatorisch verdrehten und nach aussen gekippten Spitzfusses,
- schwerste Retardierung im Sprach-, Wahrnehmungs- und kognitiven Bereich.
Ursache der Behinderung
PrƤnatale virale Infektionskrankheit, die aufgrund der Liquorfluss-Okklusion zu einer schwersten prƤnatalen HirnschƤdigung im Sinne der Hydroanenzephalie fĆ¼hrte. Viruserkrankung nicht bestimmbar.
Geburtsverlauf
Spontane, natĆ¼rliche, termingerechte und gut verlaufene Geburt. (Zweitgeburt)
Diagnose der EinzelschƤdigungen
- Schwere diffuse Hirnfunktionsstƶrungen bei Hydroanenzephalus,
- chronische respiratorische Insuffizienz,
- Tetraparese,
- hochgradige zentral bedingte Sehbehinderung,
- Katarakt mehr links als rechts,
- chronisch rezidivierende Zystitis,
- ausgeprƤgte Kypho-Torsionsskoliose mit schwerer ThoraxdeformitƤt,
- schwere FussdeformitƤten,
- mentale Insuffizienz
Krankenhausaufenthalte
ā 2 Monate lang, anschliessend an die Geburt, fĆ¼r Shuntoperation und zwecks medikamentƶser Einstellung, sowie Stabilisierung des Gesundheitszustandes.
ā 2 Aufenthalte im 2. und 3. Lebensjahr zwecks Stabilisierung des Gesundheitszustandes aufgrundĀ respiratorischer Insuffizienz und ErnƤhrungsschwierigkeiten
Operationen
- Ventriculoabdominaler Shunt in der 4. Lebenswoche ā erfolgreiche und problemlos verlaufene OP.
- Bauchdecken-Revision aufgrund kleiner Hernie im 4. Lebensjahr ā erfolgreiche und problemlose OP.
Probleme
- Chron. respiratorische Insuffizienz mit hƤufigen Bronchitiden und entsprechenden Antibiotikabehandlungen.
- Chron. rezidivierende Zystitis.
Derzeitige Medikation
Barbiturate, hƤufige Zyklen von Antibiotika-Gaben
Impfungen
Veronica hat alle Ć¼blichen Impfungen erhalten und diese gut vertragen.
Fƶrderung / Betreuung vor Eintritt
- 2 mal wƶchentlich Physiotherapie im ƶrtlichen Bezirksspital.
- 2 ā 3 mal wƶchentlich heilpƤdagogischer, integrativer Kindergarten im Dorf.
VerhƤltnis zu den Eltern
Das Kind ist gut in der Familie aufgehoben und wird mit Liebe und viel WƤrme gepflegt. Vater Mauro ist beflissen und kĆ¼mmert sich rĆ¼hrend um seine Tochter. Mutter Paola ist nĆ¼chterner, sie ist medizinisch gebildet, und leidet unter depressiven Phasen, in welchen ihr alles zu viel wird. Bruder Philip studiert in Florenz und ist am Wochenende da. Er nimmt gerne Kontakt auf mit Veronika und sie scheint ihn auch zu kennen.Ā Zudem wohnt mit der Familie noch der 85-jƤhrige Onkel Marco, welcher hochgradig hƶr-sehbehindert ist. Er ist, fĆ¼r seinen Zustand, erfreulich autonom. Er hat keinen direkten Kontakt zu Veronica.
Kind / Betreuer
Tiziana, eine ca. 45- jƤhrige Frau aus dem Dorf, ohne spezifische pflegerische Ausbildung, betreut die Kleine seit 2 Jahren. Sie ist vertraut mit der Situation und widmet sich liebevoll und engagiert dem Kinde.
Kƶrperliche Entwicklung und Gesundheitszustand
Veronica ist von feiner, zerbrechlicher Gestalt. Ihre Arme und Beine sind auffƤllig dĆ¼nn, ebenso ihr Rumpf. Der Kopf ist, im VerhƤltnis zum Kƶrper, nur wenig disproportioniert. Ihre Hautfarbe sei auffallend blass, ihre Lippen oft von schwacher und/oder marmorierter Tƶnung. Ihre silberblonden Haare sind krƤftig und gelockt.Ā Das Kƶrpergewicht betrƤgt zur Zeit 15 kg, ihre Kƶrpergrƶsse 98 cm.Ā Die Kleine hat oft respiratorische Schwierigkeiten im Sinne von zƤhflĆ¼ssigerĀ Rachenverschleimung und chronischen Bronchialsekrets, welches sie nur schwer abhusten kann. So kommt es ca. alle 6 Wochen zu fiebrigen ZustƤnden und konsequenter Antibiotikabehandlung. In letzter Zeit benƶtigte sie nur selten Sauerstoffzufuhr.Ā Im vergangenen Halbjahr litt sie hƤufig an EntzĆ¼ndungen der Blase und hatte MĆ¼he beim Wasserlƶsen.
Die schon beschriebenen orthopƤdischen Probleme scheinen ihr keine direkten Schmerzen zu verursachen haben jedoch ernsthafte Bedeutung fĆ¼r ihr Wohlbefinden und die Atemfunktion.
Veronica ist tƤglich von epileptischen Krisen befallen. Diese zeigen sich in Form von Absenzen und kurzen atypischen KrampfanfƤllen ohne nachfolgenden Schlaf.
Kƶrperliche DeformitƤten lese man unter der entsprechenden Beschreibung nach.
Veronica wird von den Eltern ernƤhrt. Sie ist in der Lage den, ihr in den Mund gereichten, Essbrei vom Lƶffel zu schlecken und selber zu schlucken. Mit der Zunge nimmt sie Tropfenweise FlĆ¼ssigkeit auf und schluckt diese. Dabei hat sich das Eingeben mit einer Spritze (ohne Nadel) bewƤhrt. Veronica hat alle ZƤhne, kann jedoch nicht kauen. Sie wird deshalb nur mit Brei ernƤhrt.Ā Ihre Verdaung ist gut und regelmƤssig. Da Stuhlen spontan nicht mƶglich ist, wird es mit tƤglichen Klistieren unterstĆ¼tzt.Ā In jĆ¼ngsterĀ Zeit schleckt Veronica hƤufiger mit der Zunge an den Lippen oder am Gaumen. Sie kann den Mund schliessen ohne jedoch den Speichelfluss kontrollieren zu kƶnnen.Ā Veronica kann aktiv und scheinbar eigeninitiativ die Zunge, den Mund und die Augen bewegen.
Manchmal versucht sie sich aus der RĆ¼ckenlage in die Seitenlage rechts zu drehen. In Stressmomenten zieht sie ihre Arme nach vorne und oben und schliesst ihre beiden FƤuste dabei. Kehrt wieder Ruhe ein, kann sie die angewinkelten Ellbogen entspannen, sie wieder neben den Kƶrper auslegen und auch den Faustschluss ƶffnen. Greiffunktionen zeigt sie bloss, wenn ich ihr eine Schnur in die Hand gebe. Diese hƤlt sie fest.Ā Ihre Kopfhaltung ist tendenziell nach links gedreht und geneigt. In entspanntem Zustand kann sie diese Position eigenstƤndig verlassen undĀ den Kopf auf die andere Seite drehen.Ā Ihre Beine bewegt sie selten. Manchmal winkelt sie diese an, auch einzeln, und verharrt in diesen Stellungen.Ā Veronica kann weder den Kopf noch den Rumpf selbstƤndig halten, sie ist apostural. Zur Hilfe wird sie in einen halbschrƤgen Stuhl mit Gurten gesetzt. Der Stuhl ist quasi eine Liegeschale, die ihre Kƶrperform aufnimmt und sie stĆ¼tzt. Darin scheint es ihr auch fĆ¼r mehr als eine Stunde wohl zu sein.
Psychopathologische und neurologische Besonderheiten
Veronica ist tetraparetisch. Sie verfĆ¼gt Ć¼ber wenige, einfach strukturierte Bewegungsmuster der ExtremitƤten und kann keine dieser Bewegungen auf Geheiss ausfĆ¼hren.Ā Ihr Ruhetonus ist erhƶht und die HƤnde und FĆ¼sse hƤlt sie oft in spastischer Verkrampfung. Veronica verfĆ¼gt weder Ć¼ber eine Rumpf- noch Kopfkontrolle. Sie kann deshalb nur mit Hilfsmitteln aufrecht im Stuhl sitzen.Ā Die Mund- und Zungenbewegungen sind fĆ¼r ihren Zustand erstaunlich gut und ermƶglichen ihr,Ā den, in den Mund, auf die Zunge gegebenen Essbrei, selbstƤndigĀ in den Rachen zu befƶrdern und zu schlucken. Ebenso kann sie Bronchialsekret in den Mundraum hoch-husten und wĆ¼rgen und auf der Zunge platzieren, um es der Mutter leichter zu machen, dieses mit dem Lƶffel zu entfernen.
Veronica kann sich nicht selbststƤndig fortbewegen. Sie versucht manchmal, sich auf die rechte Seite zu drehen. In Schreckensmomenten bringt sie ihre beiden Arme vor sich hoch, beugt diese an, legt den Kopf in den Nacken und dreht ihn stark zur linken Seite.Ā Veronica hat keine willkĆ¼rliche Kontrolle Ć¼ber ihre Sphinctermuskulatur und ist deshalbĀ inkontinent.
Verwertbare EEG- Ableitungen konnten nicht gemacht werden. Die Reflex-AktivitƤt istĀ gesteigert und zeigt das Bild einer zentralbedingten Enthemmungssituation.Ā Das hƤufige anfallsartige Krampfgeschehen ist epileptischer Genese, ohne sich jedoch in den klassischen Formen darzustellen. Es handelt sich um Absenzen kurzer Dauer, grobschlƤgiges Verkrampfen der Arme und nachfolgendes stimmliches GerƤusch. Die Anfallsmomente dauern wenige Sekunden und zeigen sich periodisch mehr oder weniger hƤufig ā oft tƤglich.Ā Veronica ist tetraparetisch. Sie verfĆ¼gt Ć¼ber wenige, einfach strukturierte Bewegungsmuster der ExtremitƤten und kann keine dieser Bewegungen auf Geheiss ausfĆ¼hren. (siehe oben)Ā Veronica hat selten hohes Fieber wenn sie krank ist, was auf eine zentral gestƶrte Thermoregulation zurĆ¼ckgefĆ¼hrt wird.
Darstellung des Kindes und seiner Problemsituation
Veronica ist ein Liegekind und wird in der Familie gepflegt. Dabei wird den Eltern durch eine Betreuerin geholfen. Wie hier Ć¼blich, besucht auch Veronica den integrativen Kindergarten. Oft fehlt sie wegen gesundheitlicher SchwƤchen und so fƤllt die heilpƤdagogische Fƶrderung aus. Ebenso wird Veronica 2 mal pro Woche im lokalen Physiotherapiezentrum bewegt und entspannt ā dies im Sinne einer funktionellen, passiven Behandlung.Ā So kommt das Kind einige Male pro Woche aus dem Haus und erfƤhrt andere Orte und Aspekte ihrer kleinen Lebenswelt. Diese Transporte hinterfragte ich auf ihre Auswirkungen fĆ¼r das Kind. Wenn es ihr gut geht, scheinen sie ihr gut zu tun, entlasten die Mutter und helfen die Situation besser tragen zu kƶnnen. Im Krankheitsfall sind diese OrtsverƤnderungen nicht mƶglich und es kommt hƤufig zu UnterbrĆ¼chen der AktivitƤten.
Veronica wird von ihrer Familie mit viel WƤrme und Anteilnahme gepflegt. Es sind wenige Personen, die mit ihr regelmƤssig Kontakt haben: Mutter, Vater, Bruder, Pflegerin, KinderƤrztin, Schul- und Therapiepersonal.Ā Veronica zeigt Kontaktverhalten, wenn man sich mit ihr direkt und intensiv beschƤftigt.Ā Ist sie alleine in ihrem Bettchen, so liegt sie ganz ruhig, spielt nicht und scheint zu schlafen. Wendet man sich ihr zu, so verƤndert sie den Atem und reagiert. Gelingt es,Ā ihr zu Entspannung zu verhelfen, wird sie auch āinteressiertā auf Kontakt, NƤhe und insbesonders auf KlƤnge und Musik.
Beim Essen kann sie mit Grimassen anzeigen was ihr schmeckt und was nicht.Ā So ist Veronica vor allem ans Bett und ans Haus gebunden. Sie ist angewiesen auf unsere Hinwendung und FĆ¼rsorge. In minimalen Formen sind Kontakt und Beziehung mƶglich, sowie Momente reziproker Interaktionen.Ā Veronicaās Alltag ist von hƤufigen gesundheitlichen Stƶrungen bestimmt. Die infausten Lebensaussichten sind vordergrĆ¼ndig kein Thema im GesprƤch zwischen den Eltern und mir, sind jedoch hintergrĆ¼ndig oft als bedrohliche Stimmung wahrzunehmen.
Entwicklungsstand
Kommunikation
Kommunikation ist in basaler Form mƶglich.Ā Veronica hƶrt, fĆ¼hlt Bewegungen und LageverƤnderungen, riecht und schmeckt. Sie āƤussertā sich mit VerƤnderungen der AtemgerƤusche, der Atembewegung, einfachen nichtartikulierten Lauten, vagen mimischen Gesten, sowie einfachen und grobmotorischen Bewegungen von Kopf und Armen.Ā In entspannten Momenten sind ihre Ćusserungen vorhersehbar. Veronica gibt an, wenn sie etwas nicht mag, sich unwohl fĆ¼hlt, leidet, erregt ist, Hunger oder Durst hat und zeigt in AnsƤtzen ein LƤcheln im Gesicht. Nach intensiven Kontaktsequenzen lautiert sie, wenn der Kontakt von unserer Seite her beendet wird und sie wird wieder ruhig, wenn man zu ihr zurĆ¼ck kehrt.Ā Veronica zeigt kein SprachverstƤndnis.
Lebenspraktische FƤhigkeiten
Veronica benƶtigt fĆ¼r alle VorgƤnge des Alltages Hilfe von anderen. Sie ist also in schwerem Grad hilfsbedĆ¼rftig. SelbststƤndig kann sie schlucken, husten, Wasser lƶsen und atmen.Ā Beim Eingeben von Speisen und FlĆ¼ssigkeiten kann sie unterstĆ¼tzet mitmachen und schluckt im richtigen Moment selbststƤndig.
Wahrnehmung
Veronica hƶrt und kennt die Stimmen, der ihr nahestehenden Menschen. Sie reagiert auf Lichtreize und Bewegungen in ca. 15 cm Abstand vor ihren Augen. Manchmal scheint sie visuell zu fixieren. Beide Augen weisen einen grauen Star auf. Letzterer wird auf Grund der zentralen Sehbehinderung nicht operiert. Veronica wurde bisher noch nie grĆ¼ndlich auf ihr Sehen hin untersucht.Ā Sie riecht, rĆ¼mpft die Nase bei ihr unangenehmen GerĆ¼chen und scheint ebenso zu schmecken.Ā BerĆ¼hrungen in deutlicher Form und langsamer Bewegung nimmt sie wahr und reagiert mit Entspannung darauf. Abrupte Bewegungen oder LageverƤnderungen provozieren ihre schon beschriebene Abwehrhaltung.Ā Veronica nimmt Vibrationen des Klangbettes wahr und reagiert mit Anhalten des Atems und Bewegungen der Arme.Ā Die taktile Wahrnehmung ist im Mundbereich am stƤrksten ersichtlich. Veronica reagiert auf den berĆ¼hrenden Lƶffel etc. Ebenso reagiert sie auf feine BerĆ¼hrungen des Brustkorbes und der Beine. Sowohl beide HƤnde, als auch beide FĆ¼sse, scheint sie weder wahrzunehmen, noch zu spĆ¼ren.Ā Veronica hat keine haptische Wahrnehmung mittels der HƤnde.
Fein- und Grobmotorik
Veronica verfĆ¼gt lediglich Ć¼ber wenige, einfache und grobe Bewegungsmuster der Arme und Beine. Die Bewegungen im Gesichtsbereich, speziell im Mundbereich, sind von feinerer Gestalt. Auf rhythmische und melodische Bewegungsangebote hin reagiert Veronica mit Entspannung und Atemvertiefung und lƤsst sich beruhigen. Daraus schliesse ich, dass sie Bewegungen und ihre Form wahrnimmt.
Senso-motorische BasisfƤhigkeitenĀ
Veronica ahmt nicht nach und kann von selbst nichts greifen. Gibt man ihr einen Gegenstand in die Hand, so greift sie diesen nur mit Hilfe āĀ einzig eine Schnur kann sie mit dem Faustgriff halten.
SelbstbeschƤftigung / Spiel
Veronica spielt manchmal mit ihrer Zunge. Sie bewegt sie gegen die vordere obere Zahnreihe, gegen den Gaumen und macht SchmatzgerƤusche. In entspannten Momenten lautiert sie beim Ausatmen.
MobilitƤt
Veronica kann sich ansatzweise aus RĆ¼ckenlage in die Seitenlage rechts drehen. Dies ist die einzige āFortbewegungā aus eigener Initiative.Ā Das Kind wird in einer Liegeschale im Auto transportiert. Zu Hause sitz-liegt sie meistens in einem Spezialstuhl der fortbewegbar ist.
Orientierung: personell, zeitlich
Veronica hat Schlafrhythmen, ist nachts ruhiger und tagsĆ¼ber wacher. Es scheint, dass sie Situationen, wie z. B. die AtmosphƤre im Musiktherapiezimmer, erkennt. Von der persƶnlichen Beobachtung her habe ich den Eindruck, dass sie sich selber kaum wahrnimmt.Ā Die FĆ¼sse und die HƤnde scheinen wie losgelƶst von ihrem Kƶrper zu sein. Am ehesten nimmt sie im Kopfbereich wahr wie und wo man sie berĆ¼hrt.Ā Sie kennt die Stimme, das Bewegen und die AtmosphƤre im Zusammensein mit ihren Eltern, dem Bruder und uns Helfern.
Sozial-emotionaler Bereich
Veronica ist meistens ruhig und ausgeglichen. Wenn sie leidet, ist sie gespannter, wenig oder gar nicht kontaktbereit und auf sich selbst bezogen.Ā Ihr bekannte Personen lƤsst sie ohne weiteres in ihre NƤhe kommen, ohne mit Verkrampfung zu reagieren. Sie ist gut eingebettet in der Familie und hat regelmƤssigen Kontakt mit uns Helfern.
Spezielle schulische Fƶrderung
Veronica besucht den integrativen Kindergarten, wo sie vor allem passiv am Geschehen teilnimmt. Die HeilpƤdagogin beschƤftigt sich mit ihr vorwiegend im Sinne der direkten kƶrperlichen Stimulation mittels Bewegungen, Massage und GerƤuschen.
Spezielle psycho-therapeutische MaĆnahmen, vgl. 4
keine
Beschreibung der individuellen Fƶrderung
Was war mein Motiv fĆ¼r diese Wahl?
Hypothesen zur ErklƤrung und fĆ¼r das VerstƤndnis der Problematik
Veronica ist schwerstbehindert und in allen Lebensbereichen von anderen Menschen abhƤngig. Durch ihre geistige Behinderung, ihre Bewegungsprobleme und ihre SehschwƤche, ist Veronica in der Kontaktaufnahme, dem persƶnlichen Ausdruck, dem Erkunden und Erfahren der Welt, massiv eingeschrƤnkt. Dadurch fehlen ihr lebensanregende Stimuli von aussen und sie tendiert in der darausfolgenden Isolation zu verharren. Dies zeigt sich in verkrampfter, einseitiger Kƶrperhaltung, einem Abwenden ihrer Aufmerksamkeit von aussen und entsprechenden zusƤtzlichen Schwierigkeiten mit Atmen, Husten, Schlucken und der Verdauung.Ā Das Kind ist komplett auf unsere Hinwendung angewiesen. Durch direkten, intensiven kƶrperlichen und emotionellen Kontakt kann man Veronica erreichen und sie wird dadurch lebendiger und wacher.
Ihre Atemschwierigkeiten rĆ¼hren von der schweren Skoliose und den zentralen neurovegetativen Regulationsstƶrungen her. Das Atemvolumen ist im VerhƤltnis zur Kƶrpergrƶsse zu gering. In entspanntem Zustand ist es ihr mƶglich bessere Blutgaswerte zu erreichen, wodurch sie vitaler wird und sich besser auf die Umwelt einlassen kann. Ist Veronica jedoch verkrampft, wirkt sich dies direkt auf die Blutwerte aus und ebenso auf ihre Atembewegungen. So gerƤt sie in einen selbstbehindernden Kreislauf: Verspannung ā Reduktion des Atemvolumens ā Verschlechterung der Blutgaswerte ā Atemnot- Angst- Verkrampfung.Ā In den Phasen der gesundheitlichen StabilitƤt ist die Harmonisierung ihres Zustandes leicht mƶglich, was zur Folge hat, dass sie nicht auf eine stƤndige Sauerstoffzufuhr angewiesen ist.
Wir konnten beobachten, dass Veronica in diesen āgutenā Phasen besser verdaut, weniger Aufwand benƶtigt, um sich zu entleeren und seltener Blasenprobleme hat. Ebenso ist sie wacher und hat weniger KrampfanfƤlle. In diesen Momenten lautiert sie spontaner und dreht des ƶfteren und eigenaktiv ihren Kopf.Ā Veronica ist in der Lage, im direkten kƶrperlichem Kontakt, die PrƤsenz und Wirkung einer Person wahrzunehmen und diese nach wiederholter Begegnung zu erkennen. Das Kind reagiert dann auf die Beziehungsangebote in basaler Form und kann beruhigt, bewegt, aktiviert und getrƶstet werden.Ā Aus der Ferne scheint Veronica die Umwelt durch das Hƶren zu erfahren. So reagiert sie deutlich mit Beruhigung auf ihr bekannte Musik oder atmet aufgeregt, wenn sie die Stimme ihres Bruders hƶrt.
Aus diesen Beobachtungen und Reflektionen mƶchte ich zusammenfassend folgende Hypothese formulieren:
Die aktuelle Problematik Veronicas ist gegeben einerseits aufgrund ihrer schweren HirnschƤdigung und der daraus folgenden Mehrfachbehinderung, andererseits aufgrund sekundƤrer Komplikationen und Deprivation imĀ sensomotorischenrischen Bereich, sowie auf der Kommunikations- und der Beziehungsebene.Ā Da letztere Faktoren beeinflussbarĀ sind und es mƶglich ist, positiven Einfluss auf ihren Gesundheitszustand im ganzheitlichen Sinne zu nehme, wird dies, meine ich, stƤrkenden Effekt auf ihre VitalitƤt haben und mithelfen, den prekƤren Gesundheitszustand zu stĆ¼tzen. Diese Stabilisierung mildert ihr Leiden und kann so vielleicht der ihr mƶglichen Entwicklung Raum und Kraft geben.
Mit dem Einbezug der Familien die Therapie und meiner PrƤsenz mƶchte der Familie unterstĆ¼tzende Kraft sein im Tragen dieser anspruchsvollen Aufgabe. Dieses Mittragen kann die Eltern entlasten, sie aus ihrer Isolation mit den stƤndig prƤsenten Ćngsten und Sorgen lƶsen und so eine positive āEntdramatisierungā der Situation herbeifĆ¼hren, was sich wiederum positiv auf ihre Beziehung zu Veronica auswirken wird.
HypothesenĆ¼berprĆ¼fung
Die, im vorhergehenden Unterkapitel skizzierte Hypothese konnte ich im Laufe der nun schon 2- jƤhrigen Begegnung mit Veronica vielseitig Ć¼berprĆ¼fen, bestƤtigen und in bestimmten Aspekten relativieren.Ā Die medizinische Dokumentation bestƤtigt den schweren diffusen Hirnschaden. Neuropsychologisch betrachtet ist ein kortikales Verarbeiten der SinneseindrĆ¼cke kaum denkbar und es wird angenommen, dass Veronica wesentlich aufgrund subkortikaler Prozesse mit sich und der Umwelt im Kontakt ist.
Aufgrund dieser Tatsache ist keine VerƤnderung der kognitiven Entwicklung zuĀ erwarten.
- Veronicaās Gesundheitszustand ist wesentlich abhƤngig von der Pflege, dem Kontakt und der Stimulation von aussen. Ein psychophysisch harmonisierter Zustand Ć¼ber Stunden stƤrkt das Kind in seiner VitalitƤt und macht es aktiver. Von selbst ist Veronica kaum fƤhig, sich aus einer verkrampften Situation zu lƶsen. Ebenso kann sie sich nicht aus eigener Kraft fortbewegen und demzufolge auch nicht ihre eingenommenen Positionen wechseln. RegelmƤssiges Umlagern hilft ihr sich zu lƶsen. Das Kind zeigt deutlich positive Reaktionen auf musikunterstĆ¼tzte mobilisierende Massage der ExtremitƤten und des Rumpfes.
- Veronica kann, in basaler Form, mit uns in Kontakt sein. In entspanntem Zustand hƶrt sie hin, reagiert mit Anhalten oder Animation des Atems und mit Lauten auf meine sonor- musikalischen Angebote. Sie ƶffnet ihre Augen weit und scheint zu fixieren, wenn sie etwas interessiert. Auf ruhige Musik, wie z. B. das Klarinettenkonzert in A- Moll von Mozart, KlƤnge des Liegemonochords, oder auf meine vokalen Improvisationen, reagiert Veronica regelmƤssigĀ mit Entspannung, spontanen Lauten oder Ćnderungen der AtemgerƤusche. Manchmal entspannt sie sich derart dass sie einschlƤft.
- Die Rumpf-DeformitƤten sind trotz ihrer AusgeprƤgtheit nicht fixiert und kƶnnen durch sanftes, melodisches Bewegen deutlich harmonisiert werden. Durch sanfte Bewegungen mit meinen HƤnden auf ihrem Brustkorb ā im Sinne der SpĆ¼rhilfe ā hat Veronica gelernt, dem Ausatmen mehr Zeit zu lassen und dies auch verstƤrkt zu tun. So kann sie nun besser husten und das Bronchialsekret hochbringen.
- Veronica reagiert positiv auf BerĆ¼hrungen im Gesichtsbereich. Massierendes Tasten im Gesicht, um den Mund und von aussen, ihren ZƤhnen entlang, kann sie zulassen. Dies hilft mit, ihre Furcht vor Schmerzen im Shuntbereich abzubauen. FrĆ¼her reagierte sie beim BerĆ¼hren ihrer rechten Kopfseite sofort mit Abwehr und Weinen. HƤufiges Streichen von der Kieferspitze zur Kehle hin ermƶglicht ihr, regelmƤssiger und besser schlucken zu kƶnnen. Demzufolge nehme ich an dass, sie im Gesichtsbereich empfindet und fƶrderbar ist.
- Veronica scheint die Situation bei und mit mir im Atelier zu kennen. Heute reagiert sie sofort, wenn ich ihr meine Hand weich auf ihren Brustkorb lege und sie behutsam streichle. Veronica lƤsst sich schnell und deutlich auf meine Angebote ein und āreklamiertā, wenn nach einer intensiven Begegnung der Kontakt aufhƶrt. Sie nimmt mich wahrscheinlich nicht als Person wahr, kennt jedoch meine ModalitƤten ā im Atelier wie auch bei ihr zu Hause.
- Der Einbezug jeweils eines Elternteiles in die wƶchentliche Musiktherapiestunde ermƶglichte einen Austausch und die gemeinsame Anteilnahme. So konnte z.B.Ā die Mutter von āaussenā betrachten, wie ihre Tochter auf Musik reagierte undĀ positive VerƤnderungen zeigte. Ebenso ist die RegelmƤssigkeit der Begegnung und meine Besuche zu Hause zu einer unterstĆ¼tzenden Kraft geworden. Dies drĆ¼cken die Eltern wƶrtlich aus, und laden mich ab und zu ein, mit ihnen und Veronica zu essen.
Diese, anfƤnglich auf Vermutungen und Ćberlegungen basierten, hypothetischen AnsƤtze bestƤtigten sich im Laufe der Zeit und dienen nun als Grundlage der aktuellen Zielformulierung.Ā Nicht bestƤtigt fand sich meine Annahme, dass Veronica durch den basalen Dialog besseren Zugang zum vokalen Ausdruck finden kƶnnte. Ich hoffte, dass Familie durch Veronicaās vermehrtes Lautieren besseren emotionellen Kontakt mit dem Kind aufnehmen und sonore Gesten interpretieren lernen kƶnnte. Bis jetzt ist dies noch nicht wirklich eingetroffen, ausser ansatzweise in optimalen Momenten.
Konsequenzen aus der Arbeitshypothese
Die vorausgegangenen Beschreibungen und formulierten Hypothesen lassen mich folgende Konsequenzen fĆ¼r die Fƶrderung Veronicaās erkennen:
- PrioritƤt: Die Stabilisierung und StĆ¼tzung ihres Gesundheitszustandes ist vorrangig. In Tagen gesundheitlicher SchwƤche mƶchte ich Veronica den Transport ins Atelier ersparen und behandle sie dann bei ihr zu Hause.
- Psychophysische Harmonisation: Der von aussen herbeigefĆ¼hrte Spannungsausgleich und die Harmonisierung ihrer Kƶrperform ermƶglicht und unterstĆ¼tzt jegliche Arbeit mit dem Kind.
- Kƶrperdialog: Veronica benƶtigt direkten, klaren und langsam-sich- verƤndernden Kƶrperkontakt, um mich wahrzunehmen. Sie bedarf ebenfalls ritualisierter Gesten, um eine Situation wieder āerkennenā zu kƶnnen.
- Elterneinbezug: Da die gemachten Erfahrungen zeigen, dass Veronica gut reagiert auf die erwƤhnten Massnahmen, ist es von Bedeutung, dass auch die Eltern dieseĀ ModalitƤten im Umgang mit ihrem Kinde erlernen. So kann dem Kind auch ausserhalb der Therapie diesbezĆ¼glich geholfen werden.
- Geduld: Kleine Fortschritte sind mƶglich und benƶtigen Zeit. Deshalb ist es hilfreich, die kleinen Entwicklungen in grossen Zeitbƶgen zu sehen.
- Orientierung: Veronica kann sich durch akustische, somatisch-taktile, vestibulƤre und kinƤsthetische Reize basal orientieren.
- Wiederholung: Veronica lernt auf einfachem Niveau, im Sinne der Gewƶhnung und kann Situationen in ihren basalen Elementen wiedererkennen. Deshalb sind identische Wiederholungen des Handelns und der Situationen fĆ¼r ihre Orientierung hilfreich.
- Befindlichkeit: Veronica kann nur in einfachsten Schemen ihre Befindlichkeit Ƥussern. Deshalb ist es notwendig, sie stƤndig gut zu beobachten und aufgrund ihrer nonverbalen ā vor allem kƶrperlichen, vegetativen und sonoren ā Ćusserungen zu erkennen, wie es um sie steht.
- Wahrnehmungstempo: Veronica braucht Zeit, um wahrzunehmen und zu reagieren. Schnelle Reize und VerƤnderungen lƶsen bei ihr sofort starke Abwehrhaltungen aus undĀ benƶtigen wiederum Zeit diese zu lƶsen. Langsames Einwirken kann das Kind ƶkonomisch besser aufnehmen und positiv beantworten.
- LageverƤnderungen: Veronica ist empfindlich und reagiert auf abrupte LageverƤnderungen mit Verkrampfung. Langsames Anfassen, sicherheitsspendendes Halten und Fortbewegen lƤsst sie ruhig bleiben.
- Stimmliches Umgeben: Es zeigte sich, dass Veronica hƶrt und auf Musik und somit auch auf die āSprach-Musikā, d.h. auf das Nonverbale der Sprache, reagiert. Melodisches, mit dem Handeln und dem GefĆ¼hlszustand syntonisiertes Sprechen gibt ihr Sicherheit und Vertrauen. Dieses klangliche Mitgestalten der Begegnung ist Teil der vorbereiteten Umgebung fĆ¼r das Kind.
Dies sind die wesentlichsten Konsequenzen, welche die im Folgenden beschriebene Fƶrderung mitbestimmen werden.
Umsetzbarkeit imĀ vorgegebenen Feld
ĆberprĆ¼fung der Ressourcen
FĆ¼r die, von mir erwĆ¼nschte, musik- und physiotherapeutische Fƶrderung, stehen folgende Ressourcen zur VerfĆ¼gung:
- RƤumlichkeiten: Spezifisch eingerichtetes Behandlungszimmer mit allen notwendigen Instrumenten, mit didaktischen Spielsachen und Lagerungsmaterialien. Die RƤumlichkeiten sind gut erreichbar und geheizt.
- Transport des Kindes: Veronica wird von einem Elternteil gebracht, welcher dann auch der Therapiesitzung beiwohnt. FĆ¼r den Weg, der auch im Winter gut zu bewƤltigen ist, benƶtigt man mit dem Auto ca. 8 Minuten.
Sollten die Eltern einmal verhindert sein, ist die Betreuerin bereit, Veronica zu bringen oder zu begleiten. Im Krankheitsfall unterstĆ¼tzt mich ein pensionierter Freund, indem er mich in seinem Privatauto, fĆ¼r die Behandlung, zu Veronica nach Hause fƤhrt.
Zeitraum: Die Behandlungsstunde ist mit 60 Minuten, einmal pro Woche,Ā festgelegt und ist nicht von Ƥusseren institutionellen FaktorenĀ abhƤngig, da der Therapievertrag direkt mit den Eltern vereinbartĀ wurde und sie auch fĆ¼r die Finanzierung aufkommen. (72 Euro proĀ Monat).
Fachliche UnterstĆ¼tzung: In Absprache mit der verantwortlichen Neuropsychiaterin fĆ¼r Kinder und Jugendliche, tauschen wir 3- monatlich unsere Beobachtungen Ć¼ber Veronica aus, und ich kann meine Fragen anbringen. Monatlich kann ich bei Bedarf, meine Erfahrungen mit dem Kind in der musiktherapeutischen Supervision vortragen und bearbeiten.
Dokumentation: Zur Dokumentation stehen mir ein Computer und einĀ TonbandgerƤt zur VerfĆ¼gung, und erlauben mir eine adequate FĆ¼hrungĀ der Falldokumentation.
Zielformulierung
Als Ć¼bergeordnetes Ziel der BemĆ¼hungen betrachte ich die Stabilisierung des fragilen Gesundheitszustandes des Kindes. Meinen Beitrag dazu sehe ich in der UnterstĆ¼tzung der Eltern, der Beratung von Schul- und Therapiepersonal auf deren Anfrage hin und in der direkten Behandlung des Kindes. Ein genĆ¼gend stabiler Gesundheitszustand, Ć¼ber genĆ¼gend lange Phasen, wird Veronica die ihr mƶgliche Entwicklung am ehesten gewƤhren.
Als zweit-wichtigstes Ziel betrachte ich die PrƤvention von Komplikationen sekundƤrer und terziƤrer Natur. Die, in diesen Situationen auftretenden, kƶrperlichen und psychischen Komplikationen, hindern oft die Entwicklung und haben direkten negativen Einfluss auf die Gesundheit des Kindes.Ā Veronicaās Zustand ist jedoch nicht nur von kƶrperlichen Faktoren abhƤngig, sondern auch von ihren GefĆ¼hlen und von der sie umgebenden psychosozialen SphƤre. Die nƤhrende, symbiotische Beziehungen zu Mutter und Vater sind dabei die signifikantesten affektiven Quellen ā deshalb mein Engagement auch fĆ¼r die Eltern.Ā Die Auseinandersetzung mit der Umwelt ist fĆ¼r Veronica massiv erschwert.Ā So sehe ich in der Intensivierung der ihr mƶglichen Auseinandersetzung mit ihrer Umgebung eine weitere Fƶrderrichtung. Die daraus entstehenden Grunderfahrungen kƶnnen als positive Anregungen wirken.
Um diese 3 hƶher geordneten Ziele anzustreben, mƶchte ich die folgenden konkreten Arbeits-Ziele formulieren:
Veronica soll mit den ihr gegebenen Mƶglichkeiten und in ihrem Tempo,
- sich gewƶhnen an meine musikunterstĆ¼tzten, weichen und massierenden KƶrperberĆ¼hrungen und sich dabei und dadurch genĆ¼gend entspannen,
- meine Kƶrperform harmonisierenden, melodischen Bewegungen zulassen und sich dabei aus den festgehaltenen, selbstbehindernden Positionen lƶsen,
- sich genĆ¼gend entspannt auf ihre, im voraus angedeuteten LageverƤnderungen einlassen kƶnnen,
- den einmal erreichten, entspannten und harmonisierten Zustand fĆ¼r ca. 30 Minuten halten kƶnnen,
- ohne spezielle Ƥussere Stimulation, selbststƤndig, den eingegebenen Essbrei schlucken,
- spontan krƤftig husten, regelmƤssig das Bronchialsekret in den Mundraum hochbringen und die dazu nƶtigen Bewegungen zulassen,
- im taktil-kinƤsthetischen Kƶrperdialog tolerant sein gegenĆ¼ber Abweichungen persƶnlicher Stilunterschiede.(Mutter, Vater, Hilfspersonen etc).
Dies sind die 7 aktuellen Hauptziele, die ich in meiner Arbeit mit Veronica anstrebe. In der Kƶrper-orientierten und ludischen Vorgehensweise gibt es entsprechende Unterziele. Die Begegnung ist dialogisch und prozessual gestaltet, auch wenn es sich um basale Kommunikation handelt. Wo immer es mƶglich ist, nehme ich Veronicaās Vorgaben und Interessebekundungen auf und reagiere darauf. Ihre Gesten ā in der ihr zur VerfĆ¼gung stehenden Sprache ā sollen eine Wirkung haben und dadurch Isolation lockern und ihr Interesse nach aussen stimulieren. Die Arbeitsweise entspricht einem integrativen und intermodalen Stil. Elemente der aktiven und rezeptiven Musiktherapie finden fliessende Integration mit physiotherapeutischen Techniken der Kinder-Neurorehabilitation.
Die praktische Umsetzung dieser Vorstellungen und Zielsetzungen beschreibe ich im nƤchsten Abschnitt.
Handlungsschritte
Die obgenannten Zielformulierungen versuche ich mit folgenden Handlungsschritten zu erarbeiten.
Elterneinbezug
Zu jeder Sitzung kommt der Vater oder die Mutter mit in das Musiktherapiezimmer ā einerseits, um das Kind zu begleiten, andererseits um mitzuerleben, wie Veronica auf die Angebote reagiert und sich in einen basalen Dialog einlƤsst. Dieses Miterleben erwies sich als positive UnterstĆ¼tzung fĆ¼r die Eltern. Mutter Paola war anfƤnglich sehr skeptisch bezĆ¼glich der Hypothese, dass ihr Kind Ć¼ber GerƤusche und stimmliche Ćusserungen in einen Dialog treten kƶnne. Die Mutter sah aber bald, dass Veronica auf ruhige, Klangfarben-reiche und Melodiebewegungs-reiche Musik mit Entspannung und Wachheit reagierte. Die Entspanntheit, die im KindĀ entstand und seine einfachen, kommunikativen Gesten, berĆ¼hrten die Mutter, und es schien mir, dass sie so ihrem Kinde nƤher kam. Als medizinisch geschulte Person ist sie gut informiert, und vielleicht auch dadurch belastet in der freien Begegnung mit Veronica. Das erweiterte Setting ist eine Gelegenheit, BestƤtigung bezĆ¼glich des Umgangs mit dem Kinde zu finden und neue Anregungen zu bekommen.
So erzƤhlte Vater Mauro, dass ihn mein stimmliches Begleiten der Handlungen anregte, mehr mit Veronica zu sprechen ā wissend darum, dass sie gedanklich den Inhalt nicht erfassen kann, jedoch das āMusikalischeā der Sprache erfasst und darauf reagiert. Dies ist gut auf Tonbandaufnahmen zu hƶren.
Beide Eltern glaubten, dass alle abnorm wirkenden, abrupten Bewegungen Ausdruck von epileptischen AnfƤllen seien. Ich konnte ihnen aufzeigen, dass manche dieser Bewegungen enthemmte ReflexaktivitƤten sind, und das Kind durch Umlagern leicht daraus befreit werden kann (z.B. Opisthotonus- Reaktion).
Die im Laufe der Sitzung entstehende, ruhige und entspannte AtmosphƤre und die Erkenntnis, dass Veronica basal kommuniziert, tat und tut den Eltern gut. Beide entspannen sich jeweils und sagen oft spontan: āHierher kommen ist auch Therapie fĆ¼r unsā.Ā Weitergehende GesprƤche fĆ¼hren wir in separater Situation. Dazu gehe ich meist zu ihnen nach Hause, sodass Veronica in ihrem Bettchen schlafen kann, und wir unter uns in der angrenzenden KĆ¼che sprechen kƶnnen. Diese GesprƤche sind Kindzentriert. Eigentlich ist es ein gemeinsames Suchen und Erkennen. Meine Beobachtungen helfen zu bestƤtigen und sind manchmal auch orientierender Pol ā sind doch die Eltern stehts nahe am Kind und meine distanziertere Perspektive ist oft hilfreich fĆ¼r sie.
Gemeinsam konnten wir zu Hause die vorbereitete Umgebung fĆ¼r Veronica mit ihr dienenden Elementen anreichern: Material zur optimalen Lagerung, Musikanlage, visuelle und grobtaktile Orientierungshilfen etc.
Zu dritt treffen wir uns 2-monatlich, mit je einem Elternteil wƶchentlich.
Wƶchentliche Einzelfƶrderung in erweitertem Setting.
āEin Tropfen auf einen heissen Stein!ā. Dennoch, diese festgelegte, regulƤre Einzelfƶrderungsstunde scheint mir sinnvoll zu sein. Einerseits wegen des direkten Effekts auf das Kind, andererseits des unterstĆ¼tzenden und Kompetenz-erweiternden Effekts auf die Eltern wegen, und insbesonders wegen der āAhaā- Momente fĆ¼r Veronica. Es gibt hƤufig intensive Begegnungsmomente, in welchen die Ć¼blichen Verhalten unterbrochen werden und Veronica inne hƤlt, sich nach aussen orientiert und sich aktiv ausdrĆ¼ckt. ErwƤhnen mƶchte ich die Momente, in welchen sie lautierend auf die Akkordwechsel bei der Klavierimprovisation reagiert, oder aus ihrem gewohnten Karchlen herauskommt und ruhig atmend, gespannt den hƶlzernen Klangfarbentƶnen des Balafons zuhƶrt.
Die Stunde zeigt meist folgende Struktur:
Ankommen, Einlassen und Harmonisieren.
Wir legen Veronica auf das vorbereitete Bett. Weiche Decken, kleine und grƶssere Kissen und TĆ¼chlein dienen mir, sie angenehm zu lagern. Ich versuche sie im Sinne der bedingungslosen Akzeptanz, auch auf kƶrperlicher Ebene, anzunehmen und abzuholen. So liegt sie anfƤnglich gut und sicher in ihrer stereotypen, asymmetrischen Abwehrhaltung. In langsamen Bewegungen, ruhig zu ihr sprechend, berĆ¼hre ich ihren Kƶrper. Im Hintergrund lƤuft die ritualisierte BegrĆ¼ssungsmusik: Mozarts Sonate fĆ¼r Violine und Klavier. Wenn Veronica ruhiger atmet, beginne ich sie langsam, mit klaren BerĆ¼hrungen, melodisch zu bewegen. Ich bringe ihren Kƶrper nur derart in Bewegung, wie sie es zulƤsst. Dieser freie Bewegungsraum vergrƶssert sich und ich beginne sie auch in ihrer Kƶrperform zu harmonisieren. Dies heisst, zusammengezogene Stellen zu lƶsen und zu ƶffnen, verkrampfte Muskeln zu lockern und Asymetrien aufzulƶsen, zu symmetrieren, und auch auf die Gegenseite zu bewegen. Die Harmonisierung bestehtĀ im Auflƶsen von spastischen Haltungen und dem Einnehmen von Tonussenkenden Positionen. Dieses āBehandelnā fĆ¼hre ich in einem ludischen Sinne aus, das heisst, in spielerischer Form und nicht in einfachen funktionellen Schemen. Diese Kƶrperarbeit ist vom Dialogischen geprƤgt. Veronicaās kƶrperliche, vegetative und sonore āKommentareā auf meine Bewegungsangebote hin nehme ich auf und gestalte das Tanz-Ƥhnliche Bewegungsspiel. Zwischendurch braucht sie Pausen, lƤsst kleinere oder grƶssere Bewegungen zu und Ƥndert auch von sich aus die Stellung der ExtremitƤten. Diese Gesten sind deutlich und einfach zu verstehen.
Die AtemgerƤusche lernte ich mit der Zeit kennen. Sie sind ebenfalls ein leitendes Merkmal. So hƶre ich, wie sie sich beruhigt, dem Schlafe nƤher kommt, ein epileptischer Anfall im Anzug ist, sie sich interessiert, angeregt und erregt ist, verspannt und presst, sich seufzend lƶst etc. Die Erfahrung bezĆ¼glich der Bedeutung dieser hƶrbaren MikroverƤnderungen ausserhalb des Lautbereiches, ist heute, nach 2 Jahren, wichtige und gewohnte Dimension, welche ich bewusst, wie auch beilƤufig beobachte.
Kontakt und Neuigkeiten.
Einmal entspannt und ruhig, ist es oft mƶglich durch sonor- musikalische Angebote in einen basalen Kontakt mit Veronica zu treten und ihre Aufmerksamkeit zu erhalten. So reagiert sie durch Anhalten oder Verlangsamen des Atems auf stimmliche und klangliche Angebote. Sie scheint zu hƶren, wenn ich nahe an ihrem Kopf summe, oder mit den Vokalen ihres Namen singe. Die spĆ¼rbaren Tƶne des Klangbettes beantwortet sie des ƶftern mit eigenen Lauten, die sie auch lƤnger aushalten kann. Syntonisiere ich mich mit ihren AtemgerƤuschen, so unterbricht sie ihr Atmen und scheint hinzuhƶren. Auf das Spielen mit Summtƶnen in ihrer Ausatemphase reagiert sie oft mit Lauten und auch mit grobmotorischen Gesten des Arms, so als ob sie nach mir greifen mƶchte.Ā In dieser 2. Phase schaukeln wir das Kind manchmal in einer Decke, tragen es im Zimmer herum, beschƤftigen uns mit den verschiedenen Instrumenten und setzen uns Licht- und Schattenspielen aus.
Ausruhen undĀ Stille.
Gegen das letzte Drittel der Stunde ist Veronica meist ruhig und entspannt. Sie reagiert weniger auf meine Angebote, was ich als SƤttigung betrachte, und wir legen sie wieder auf das Klangbett. Den Kopf in Mittelposition haltend, lasse ich fĆ¼r Veronica ruhig und wohlgebettet die Stunde ausklingen. Manchmal summe ich dazu oder spiele sanfte Bƶgen auf dem ganzen Seitensatz des Klangbettes. Veronica wendet sich in diesen Momenten hƤufig zu mir und, ohne sie am Kopf halten zu mĆ¼ssen, scheint sie mich āanzuschauenā bzw. anzuhƶren. Ich mƶchte sie in dieser Entspanntheit verweilen lassen, um ihr die Gelegenheit zu geben, den Zustand auszukosten, ihn zu erfahren undĀ mit ihm vertraut zu werden. Manchmal schlƤft sie dabei ein. Es fƤllt stets auf, wie sie von selbst tiefer atmet, beide Lungen belĆ¼ftet und ihre Lippen deutlich rosa gefƤrbt seien. Ebenso wĆ¼rde die Gesichtsfarbe krƤftiger wirken. Ihre Arme und Beine kann sie so ausgestreckt und locker liegen lassen. Diesen harmonisierten Zustand kann sie heute gut zulassen und er bleibt, lƤsst man sie in Ruhe, sogar Ć¼ber lƤngere Zeit bestehen.
Die wichtigsten Themen, welche uns in der Vergangenheit beschƤftigten waren folgende:Ā (aus der, von mir vorgestellten, Sicht Veronicaās).Ā Wo sind wir? Was geschieht hier? Er, seine HƤnde, seine Bewegungen und seine Stimme. Neues und Unbekanntes, loslassen, hingeben, vertrauen. Es tƶnt und klingt. Gesicht und Mund, schlucken und husten. Miteinander, Lust und Freude, schaukeln und drehen, schmerzliches Loslassen, Licht und Schatten.
Diese fortlaufende Arbeit werde ich weiterfĆ¼hren und auf die formulierten Ziele hinarbeiten.
Bis jetztĀ (1.12.2003) hat Veronica Folgendes erreicht:
- Veronica lƤsst sich auf die Situation im Musiktherapieatelier ein. Sie lƶst sich schnell von der anfƤnglichen Spannung und lƤsst sich behandeln.
- Veronica Ƥussert sich im Sinne der basalen Kommunikation, nimmt meine entsprechenden Angebote wahr und reagiert unregelmƤssig darauf.
- Veronica hat die BerĆ¼hrungsangst im rechten Kopfbereich Ć¼berwunden und lƤsst sich ohne weiteres kƤmmen und die Haare waschen. Ebenso reagiert sie mit Hingabe und Entspannung auf eine weiche Kopfhautmassage.
- Veronica schluckt regelmƤssig weichen Essbrei ohne sich zu verschlucken.
- Veronica kann husten und das Bronchialsekret in den Mundraum bringen.
- Veronica lƤsst sich in einer Decke fĆ¼r kurze Zeit schaukeln, ohne sich dabei zu verkrampfen.
Zusammen mit der Mutter mƶchte ich nun die Gestaltung des Bettchens und der nahen Umgebung im Zimmer visuell und taktil verbessern. Veronica benƶtigt einfach strukturierte und deutliche Stimuli. Ich denke an unterschiedlich farbige Stoffe an den beiden Seiten des Bettchens und ebenso entsprechende taktile QualitƤten. Die Details werde ich vor Ort mit der Mutter erarbeiten.
UnterstĆ¼tzung des betreuenden Personals von Veronica.
Die begonnene Arbeit, zwecks UnterstĆ¼tzung des betreuenden Personals, werde ich nach BedĆ¼rfnis weiterfĆ¼hren. Die Themen sind vor allem auf das Handling, die basale Kommunikation und die Wahrnehmung des Kindes ausgerichtet. Diese AktivitƤt soll dem Lehr- und Therapiepersonal mehr Sicherheit und Vertrauen im Umgang mit Veronica geben und so emotionell die Situation entlasten. Dies, so hoffe ich, kommt dann widerum der Kleinen zu Gute.
Abschliessend mƶchte ich erwƤhnen, dass die Zusammenarbeit mit Veronica, ihrer Familie und den Institutionen gut eingespielt und stabilisiert ist.
Planung des therapeutischen Vorgehens
zeitliche und organisatorische Planung
Zur Zeit behandle ich Veronica einmal pro Woche, Montags von 17.00 bis 18.00 Uhr, im derzeitigen Atelier fĆ¼r improvisatorische Musik āil Trilloā in Soci ā einem Nachbardorf,Ā 8 Autominuten von Veronicaās Zuhause entfernt.
Wenn das Kind krank ist, besuche ich es daheim und behandle es in seinem Bettchen oder in der Stube.
Die Therapiekosten vom 18 Euro pro Sitzung, werden von der Familie getragen und jeweils Ende Monat bezahlt.
Die Transporte Ć¼bernimmt die Familie mit ihrem eigenen Auto.
Flankierende MaĆnahmen (rechtliche AbklƤrung, Elterninformation)
Als Begleitmassnahme fĆ¼hre ich alle 2 Monate ein ElterngesprƤch, um mich mit ihnen Ć¼ber den Werdegang des Kindes auszutauschen. Zu diesem Zweck besuche ich die Eltern oft zu Hause. Dies ist eine, von ihnen geschƤtzte Geste, die mir auch immer wieder die Gelegenheit gibt, mehr Ć¼ber ihren Alltag zu Hause zu erfahren.
Dokumentation
Die einzelnen Sitzungen werden von mir stichworthartig, schriftlich festgehalten und halbjƤhrlich resumiert. In besonderen Momenten dokumentiere ich einzelne Sitzungen durch ein narratives Sitzungsprotokoll, welches auch in der Supervision dienlich ist. Diese Dokumentationen sind durch gelegentliche Audiodokumente unterstĆ¼tzt und werden in der vierteljƤhrlichen Verifizierung mit der Neuropsychiaterin besprochen. Die Eltern haben auf Wunsch hin Einsicht in die Dokumentationen.
Transfer der Seminarinhalte in die Fƶrderung
Im Allgemeinen
Alle 6 Seminare regten mich zu Reflexionen Ć¼ber meine Arbeit an und liessen mich mein Denken und Handeln in der Therapie hinterfragen. Die Ganzheitlichkeit, das Personen- und Ressourcenorientierte Vorgehen und die Orientierung an der Entwicklung wurden mir auf vielfƤltige Weise bestƤtigt, und ich fĆ¼hle mich dadurchĀ bestƤrkt, dies weiter zu entfalten. Durch das 2. Modul und die Literatur konnte ich erkennen, wie ein Kƶrperorientierter Ansatz, neben den somatischen Wirkungen im Sinne der Therapie, auch zum prioritƤren Kontaktstil werden kann bei mehrfachbehinderten Kindern. Das Praxisnahe Theorieseminar mit Frau Strotmann half mir, die Integration von theoretischen AnsƤtzen, Fƶrderkonzepten und dem alltƤglichen praktischen Handeln zu verdichten ā in beide Richtungen: Von der Theorie zur Praxis und von der Praxis zur Theorie.
Die Informationen und anschaulichen Beispiele des Modules mit Herrn Kern gaben mir zu verstehen, wie wichtig die Fƶrderdiagnostik des Sehens ist, wie viel an Wissen und Kompetenz existieren, und wie es mƶglich ist, diese in die Praxis umzusetzen. Obwohl ich durch meine Blindheit nicht in der Lage bin, solch eine Fƶrderung auszufĆ¼hren, bin ich dennoch froh um diese Erkenntnisse ā bin ich doch nun viel sensibilisierter fĆ¼r das Thema, weiss um die Mƶglichkeiten und kann durch mein Interesse mithelfen, dass die Kinder zu den entsprechenden Stellen finden werden. Ebenso kann ich durch meine Fragestellungen dieses Interesse bei den Equippenmitgliedern wecken. Ich werde mich nun darum kĆ¼mmern, entsprechende Institutionen zu finden und die Wege dahin vorzubereiten. Dabei denke ich an die Hollmann-Stiftung etc. Die basalen Sehfƶrderungselemente konnte ich im Atelier umsetzen und werde diese weiter entwickeln.
Die intensiven Selbsterfahrungsmodule im 6. Kurs halfen mir, wacher und offener zu werden fĆ¼r die alltƤglichen Leistungen, Schwierigkeiten und Anstrengungen meiner Patienten, aufgrund ihrer Behinderung. So kann ich ihnen mehr Zeit lassen und ihnen besser beistehen. Ebenso konnte ich mit Erfolg die vorgeschlagenen praktischen Vorgehensweisen (z.B. beim Anziehen von Kleidern) umsetzen. Das Thema der Orientierung und MobilitƤt von Schwerstbehinderten wurde mir erst recht bewusst und ich konnte diese speziellen Hinweise direkt anwenden.
Viele Inputs sind fĆ¼r mich Erkenntnisse geworden, die ich noch vertiefen mƶchte, um sie dann effektiver in die Therapiesituation zu Ć¼bertragen. So ist das Thema der Verhaltensmodifikation Neuland fĆ¼r mich und benƶtigt entsprechendes Grundlagenstudium. Das Wassertanzen setzte ich bislang fĆ¼r mich persƶnlich um. Dies mit der Absicht, durch die Selbsterfahrung im Wasser, Neues Ć¼ber mich und den Umgang mit dem Anderen im Wasser zu lernen.
Alle 6 Module gaben mir mannigfach Hinweise, wie ich meine Fƶrderdiagnostik differenzierter gestalten und diese in mein Musik- und Physiotherapeutisches Tun integrieren kann. Sicherlich ist der Kurs eine gute und reichhaltige Anregung fĆ¼r mich, und ich werde im nƤchsten Jahr , nach weiterer persƶnlicher Vertiefung, noch mehr Inhalte in die Arbeit Ć¼bertragen kƶnnen. In diesem Sinne ist bei mir vieles ins Rollen gekommen, und ich bin nun froh, das Gelernte und Entdeckte weiter im Selbststudium und in der Auseinandersetzung mit meinen Kolleginnen und Kollegen ver- und erarbeiten zu kƶnnen. Der Transferprozess ist im Gange und wird mich noch fĆ¼r lƤngere Zeit beschƤftigen.
In der Fƶrderung Veronicaās:
Folgende Aspekte konnte ich bewusster, intensiver und spezifischer in die Fƶrderung von Veronica Ć¼bertragen:
- Holding und Handling: Durch gute Lagerung im Sitzen und Liegen mit kleinen und grossen Kissen eine angenehme und Sicherheit-spendende Ausgangsstellung bieten. Diese āvorbereiteteā Umgebung hilft dem Kind entspannter zu sein und sich mir gegenĆ¼ber besser zu ƶffnen. Ebenso intensivierte ich mein verbales Umgeben, AnkĆ¼ndigen meiner Handlungen etc.
- Kƶrperliche Harmonisierung durch einfache rezeptiv ausgerichtete Massage- und Bewegungsangebote. (TypĀ Methode Jƶrimann).
- Zeitlich- und IntensitƤt-kontrolliertes Handeln aufgrund der kontinuierlichen Beobachtungen der Reaktion des Kindes. Insbesonders konnte ich mich in der Wahrnehmung seiner Reaktionszeiten sensibilisieren und dadurch der kƶrperlichen Harmonisation besser Raum geben (Stressabbau).
- Visuelle, taktile und akustische Orientierungshilfen im Bettchen und in der Wohnung zu Hause. Mit einfachen Hilfsmitteln und Materialien war es mƶglich, klare Merkmale zu schaffen, die Veronica in der Basisorientierung helfen kƶnnen. (Deren Wirkung ist noch abzuwarten).
- Differenziertere Beobachtung bezĆ¼glich der basalen Kommunikation und entsprechende Ausrichtung in meinem therapeutischen Handeln.
- Anerkennen der Entscheidungen Veronicas. Durch das Lesen ihrer kƶrperlichen, vegetativen, sonor- musikalischen und atmosphƤrischen Reaktionen, sowie ihrer Bewegungen kann ich besser erfahren, wie sie basal kommuniziert und wie sie mir ihre āEntscheidungenā zu verstehen gibt.
- Ćberwindung der Defizitorientiertheit: Dank der Reflektionen fiel es mirĀ einfacher, mich auf die basalen FƤhigkeiten des Kindes einzulassen und die schweren Behinderungen und das latent vorhandene Thema des Todes besser austragen zu kƶnnen (Entdramatisierung).
- Vertiefung der Fƶrderdiagnostik: Aufgrund der erarbeiteten Inhalte bin ich heute bewusster und sensibler fĆ¼r zu beobachtende Aspekte der Schwerstbehinderten und kann diese auch differenzierter formulieren. Dies hilft mir in der Auseinandersetzung mit der Equipe und in der Fachsupervision.
Ich bin mir auch bewusster geworden bezĆ¼glich meiner persƶnlichen FƤhigkeiten und Grenzen im Beobachten und Erkennen.Ā Persƶnliche Entlastung von zu hohen Erwartungen und AnsprĆ¼chen meinerseitsĀ durch das Fokussieren auf die machbaren Schritte, auch wenn diese im BereichĀ von Mikrofortschritten liegen.
Zusammenfassung
Veronica, ein 5-jƤhriges, schwer mehrfachbehindertes und sehgeschƤdigtes MƤdchen, wird zu Hause von den Eltern gepflegt.
Veronica ist aufgrund einer prƤnatalen Infektionskrankheit im Sinne der HydroanenzephalieĀ geschƤdigt. Ihre Entwicklung ist schwerst behindert was sichĀ durch motorische, sensorielle, sprachliche und geistige Defizite zeigt. Heute steht ihr fragiler Gesundheitszustand im Vordergrund. Chronische respiratorische Infektionen und BlasenentzĆ¼ndungen benƶtigen mehrmals im Jahr Antibiotika-Behandlungen. HƤufige epileptische Krisen reduzieren ebenfalls den Zustand des Kindes.
In Zusammenarbeit mit der lokalen Neuropsychiatriegruppe fĆ¼r Kinder und Jugendliche, mit der Schule und den Eltern bin ich engagiert, dem Kind mittels meinen musik- und physiotherapeutischen FƤhigkeiten beizustehen. Das Engagement, im Sinne der Fƶrderpflege, konzentriert sich auf die Stabilisierung des Gesundheitszustandes und der PrƤvention von sekundƤren und terziƤren Komplikationen. Besonderen Wert wird ebenfalls auf die basale Kommunikation gelegt. Insbesonders im sonor-musikalischen und taktil-kinƤsthetischen Dialog ist Veronica erreichbar.
Seit 2 Jahren besucht Veronica, in Anwesenheit eines Elternteils, 1 mal wƶchentlich, mein Musiktherapie-Atelier zur Behandlung.Ā Der Zustand von Veronica hat sich in der 2-jƤhrigen Beobachtungszeit verbessert.Ā Sie hat deutlich lƤngere Phasen von Wohlbefinden und kƶrperlicher Gesundheit und benƶtigt demzufolge weniger Antibiotika.Ā Sie muss nicht mehr Ć¼ber Sonde ernƤhrt und auch nicht mehr kĆ¼nstlich beatmet werden.
Im vorliegenden Text wird ihre Vorgeschichte, ihr aktueller Zustand und ihre musik- und physiotherapeutische Fƶrderung beschrieben.
PrƤsentation
Die PrƤsentation von Veronicaās Situation, ihrer Lebenswelt und der musik- und physiotherapeutische Fƶrderung in meinem Atelier, werde ich durch ErzƤhlen, Audioaufnahmen und Anhƶren eines Sitzungsprotokolls gestalten.Ā Um zusƤtzlich visuelle EindrĆ¼cke der Situation dieses Kindes vermitteln zu kƶnnen, werde ich zwei power-point-files vorfĆ¼hren.